Es war vor nunmehr 22 Jahren, als Yamaha mit seiner neuen Reiseenduro einen neuen Massstab setze: 70PS aus 2 Zylindern, die doch tatsächlich Offroad-tauglich waren. 17 Jahre lang arbeitet sich dieses wüstentaugliche Fahrzeug stetig in der Liste der Klassiker nach oben, um dann ersatzlos aus der Produktion zu verschwinden. Anfang der 90er brachte BMW mit dem neuen R1100 Motor in der GS eine konkurrenzlose Enduromaschine auf den Markt, die sich bis heute mit ihren Updates ungeschlagener Beliebtheit erfreut und einen Verkaufsrekord nach dem anderen bricht. Genaugenommen war es die GS bis heute im wahrsten Sinn des Wortes: konkurrenzlos. Es gab in der 1Liter+ Klasse nichts, dass sich mit einer GS messen hätte können.
Doch nach 15 Jahren erweckt Yamaha einen alten Geist zum Leben, und füllt ihn mit den Goodies der Neuzeit: 1200ccm, 110PS, 114NM, TCS, ABS, DMS, usw., von der Auslage weg tauglich für die unbefestigte Straße. Bereits nach dem Starten des Motors ist die Verwandtschaft deutlich. Der Paralleltwin fühlt sich „bekannt“ an, wenngleich er ob des deutlichen Hubraumzuwachses ein paar Stimmlagen tiefer klingt.
Ich hab nicht grundsätzlich etwas gegen TCS und ähnliche Spielereien. Aber die Zeiten haben sich geändert, und man sollte vor dem Fahren mit einem unbekannten Motorrad doch zuhören, was einem der Verkäufer sagt, auch wenn man deutlich 6stellige Kilometerzahlen am Buckel hat. Ja, es ist auch nur ein Motorrad und man kann problemlos damit fahren, aber die Peinlichkeit, wenn man eine 1200er nicht auf’s Hinterrad bringt weil einem die Elektronik undankenswerter Weise im falschen Moment einfach das Gas wegnimmt, möchte man sich tendenziell eher ersparen.
Ansonsten erfüllt sie die Erwartungen: Sitzposition ist Tourentauglich, trotzdem kann man schon mal im Stehen dem Asphalt ausweichen. Ein gutes Gerät, aber im Rahmen der verstrichenen Zeit nur passend, nicht spektakulär. Die Leistungsentfaltung ist einer Großenduro würdig, wenngleich der Drehzahlkeller und wohl auch die Markthoheit weiterhin der GS gehört.